Gemeinsam an der Seitenlinie: Artero-Geschwister sind beim TV Langenselbold II „good cop“ und „bad cop“

Es ist keine einfache Saison für die Landesliga-Reserve der Handballerinnen des TV Langenselbold. Zwei Spieltage vor Schluss steht die Mannschaft mit 3:37 Punkten auf dem letzten Tabellenplatz in der Bezirksoberliga – der Gang in die Bezirksliga A ist ausgemachte Sache. So manch ein Team würde an dieser Situation mit Sicherheit zerbrechen.

Langenselbold –Dass das bei den Langenselbolderinnen allerdings nicht der Fall ist, liegt nicht zuletzt an ihrem ganz besonderen Trainer-Duo. Seit Anfang dieser Saison stehen die Geschwister Adelita und Antonio Artero gemeinsam an der Seitenlinie. Sowohl die 31-jährige Adelita als auch ihr ein Jahr älterer Bruder Antonio haben bereits beim TVL das Handballspielen gelernt. Am Sonntag steht das Gastspiel bei der HSG Dreieich II an (14 Uhr).

„Natürlich ist die aktuelle Situation frustrierend. Doch die Mädels bauen sich gegenseitig auf. Die Motivation ist hoch“, erzählt die Software-Vertrieblerin, die seit letzter Saison Cheftrainerin der Mannschaft ist. Es hatte sich angedeutet, dass es eine schwierige Runde für die Selbolderinnen werden könnte. Gleich sieben Leistungsträgerinnen schafften den Sprung in die Landesligamannschaft, was natürlich für die Arbeit Arteros und des gesamten Vereins spricht, gleichzeitig aber auch einen schweren Verlust für die zweite Mannschaft bedeutete. Noch dazu fielen direkt zu Beginn zwei der Neuzugänge schwangerschaftsbedingt aus, sodass man nur mit einer Torhüterin in die Spielzeit startete. Dennoch können die Artero-Geschwister auf einen großen Kader zurückgreifen. Die Trainingsbeteiligung ist hoch und der Mannschaftszusammenhalt trotz der angespannten tabellarischen Lage stark. Neben Teamevents beim Stand-Up-Paddling oder einem Jumping-Kurs setzt das Trainerteam auch sonst auf kreative Ideen. Ein Beispiel ist das „Toni-Tor“. Vor jedem Spiel legt Antonio Artero dieses fest. Die Spielerin, die es erzielt, bringt dann zum nächsten Freitagstraining Getränke und Häppchen für ein entspanntes Beisammensein nach der Einheit mit.

„Es ist wichtig, dass das Team ein echtes Team ist. Dass sich alle aufeinander verlassen können. Denn nur so kann jede einzelne das Beste aus sich herausholen. Das klappt bei uns ganz gut. Wir hatten die letzten zwei Jahre keinen einzigen Zickenterror“, meint die eigentliche Spielertrainerin, die nach ihrem Nasenbruch aktuell aber nur auf der Trainerbank sitzt, schmunzelnd. Und auch Antonio lobt die Mannschaft bezüglich Trainingseinstellung und Zusammenhalt. Der 32-jährige stellvertretende Leiter des Unterstützungs- und Betreuungsvereins der Schule am Weinberg spielt selbst für die Selbolder in der Landesliga, die sich nach ihrem historischen Aufstieg vergangene Saison nun ebenfalls auf dem letzten Platz befinden. Er weiß also, wie sich seine Mädels fühlen und nutzt das auch immer wieder in seinen Ansprachen an die Mannschaft.

Auf dem Handballfeld hat das Trainer-Duo bereits viel erlebt. Kurz nach ihrem Umzug von Frankreich nach Deutschland vor rund 24 Jahren hat sie ein Nachbar mit zum Handballtraining nach Langenselbold genommen. Beide haben fast die komplette Jugend beim TVL verbracht.

Danach verliefen die Spielerkarrieren der Geschwister recht unterschiedlich. Adelita Artero spielte die ersten eineinhalb Jahre im Aktivenbereich beim TV Altenhaßlau in der Oberliga. Zwischenzeitlich kehrte sie wieder zum TVL zurück, ehe sie nach einigen Jahren berufsbedingt nach Nieder-Roden wechselte und dort den Aufstieg in die 3. Liga miterlebte. Nach einer weiteren Oberliga-Station in Bürgel folgte die endgültige Rückkehr nach Langenselbold.

Eine Schulterverletzung bescherte ihr allerdings eine eineinhalbjährige Handball-Pause, sodass sie in den Verein zunächst als Interimstrainerin für die zweite Damenmannschaft zurückkehrte und das Amt dann letztendlich fest übernahm.

Auch der Weg von Antonio führte immer wieder zurück zum Heimatverein. Nach der Jugend und zwei Jahren im Seniorenbereich bei den Selboldern, verabschiedete er sich und wechselte nach Altenhaßlau, wo er den Aufstieg in die Bezirksoberliga miterlebte. Anschließend ging es für ihn für ein Jahr zurück nach Selbold, ehe er nach einem Jahr in der zweiten und dritten Mannschaft in Gelnhausen – wo er einen Doppelaufstieg bejubeln durfte – wieder zurück zu seinem Heimatklub wechselte. Kurz darauf folgte der Wechsel nach Bruchköbel, wo er über drei Jahre blieb und auch das ein oder andere Mal in der Oberliga auflaufen durfte. Seit fast zwei Jahren ist er nun wieder zurück bei den Blau-Gelben und unterstützt seit dieser Saison seine Schwester als Co-Trainer.

Die beiden Geschwister haben ein sehr inniges Verhältnis. Sie wohnen nicht weit voneinander entfernt. Die Verlobte von Antonio ist eine sehr gute Freundin seiner jüngeren Schwester. Und nicht nur außerhalb der Handballhalle verstehen sich die Arteros blendend. Denn auch ihr Verständnis vom Handball ist ähnlich: Ein eingespieltes Team, das schnell nach vorne spielt und sich vor allem über das Eins-Gegen-Eins durchsetzt.

In ihrer Rollenverteilung bei der Arbeit mit der Mannschaft nehmen die beiden allerdings ganz unterschiedliche Aufgaben wahr, wie der Linksaußen mit einem Augenzwinkern verrät: „Meine Schwester ist ein sehr direkter und ehrlicher Mensch. Einfach frei Schnauze. Das schätze ich sehr an ihr. Bei mir ist es so, dass ich auch aufgrund meines pädagogischen Berufs weiß, wie ich mit unterschiedlichen Menschentypen umgehen muss. Ich gehe dann meistens etwas ruhiger an die Sache ran. Man kann also schon sagen, dass ich eher der ‘good cop’ bin und sie der ‘bad cop’ ist.“ Adelita Artero mag vor allem die humorvolle Art ihres Bruders. Er könne auch mal über sich selbst lachen und sei immer offen gegenüber Neuem. Die gute Nachricht für die Spielerinnen der beiden: auch in der kommenden Saison müssen sie weder auf den „good cop“ noch auf den „bad cop“ verzichten. Es steht lediglich ein kleiner Rollentausch an. Während Adelita als Teammanagerin in die zweite Reihe tritt, um selbst wieder aktiv in der Landesligamannschaft spielen zu können, bekleidet dann Antonio das Cheftrainer-Amt.

Von Nils Moock
Quelle: Hanauer Anzeiger, 23.03.2024

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